Pflanzen und CO₂: Was passiert tagsüber und nachts?

 

Pflanzen und CO₂: Was passiert tagsüber und nachts? 

Pflanzen sind erstaunliche kleine Bioreaktoren. Sie nehmen Kohlendioxid (CO₂) aus der Luft auf, verwandeln es mit Hilfe von Licht in Zucker und geben Sauerstoff (O₂) wieder ab. So weit, so bekannt aus dem Biounterricht. Aber was passiert eigentlich, wenn die Sonne weg ist? Produzieren Pflanzen nachts wirklich CO₂? Und wie sieht das Verhältnis aus – ist das, was sie tagsüber an Sauerstoff abgeben, größer, kleiner oder gleich dem, was sie nachts an Kohlendioxid zurückgeben?

Kurz gesagt: Pflanzen setzen nachts zwar CO₂ frei, aber bei weitem nicht so viel, wie sie tagsüber binden. Doch die Details sind spannend – und hängen von einigen Faktoren ab, die man nicht sofort auf dem Schirm hat.


Photosynthese vs. Zellatmung – die zwei Prozesse

Um das Ganze zu verstehen, muss man zwei Hauptprozesse auseinanderhalten:

  1. Photosynthese

    • Nur bei Licht aktiv.

    • Pflanzen nehmen CO₂ auf und produzieren O₂.

    • Grobe Bilanz: Für jedes Molekül Zucker (Glukose), das gebildet wird, werden 6 Moleküle CO₂ gebunden und 6 Moleküle Sauerstoff freigesetzt.

    • Das passiert in den Chloroplasten – also in den grünen Blättern.

  2. Zellatmung

    • Läuft immer – Tag und Nacht.

    • Pflanzen verbrauchen Zucker, um Energie zu gewinnen. Dabei entsteht CO₂.

    • Vergleichbar mit unserer eigenen Atmung.

    • Dieser Prozess findet in den Mitochondrien statt.

Tagsüber laufen also beide Prozesse parallel:

  • Photosynthese produziert Sauerstoff.

  • Zellatmung produziert CO₂.

Da die Photosynthese viel stärker ist als die Zellatmung, ist die Netto-Bilanz am Tag klar positiv: Mehr O₂ in der Luft, weniger CO₂.

Nachts fällt die Photosynthese weg, weil kein Licht da ist. Die Zellatmung geht aber weiter. Ergebnis: Die Pflanze gibt CO₂ ab.


Verhältnis von Sauerstoffproduktion zu CO₂-Abgabe

Die entscheidende Frage lautet: Produzieren Pflanzen nachts so viel CO₂, wie sie tagsüber O₂ erzeugen?

Die Antwort ist eindeutig: Nein.

Zahlen, Daten, Fakten

  • Eine große Zimmerpflanze (z. B. eine Areca-Palme) produziert unter guten Bedingungen tagsüber bis zu 5–10 Milliliter Sauerstoff pro Stunde pro 100 Gramm Frischmasse.

  • Die gleiche Pflanze setzt nachts im Schnitt nur etwa 1–2 Milliliter CO₂ pro Stunde pro 100 Gramm Frischmasse frei.

  • Das Verhältnis liegt also grob bei 5:1 bis 10:1.

Anders gesagt: Das, was nachts „zurückkommt“, ist nur ein Bruchteil dessen, was tagsüber in Sauerstoff umgewandelt wurde.

Selbst in einem Schlafzimmer voller Pflanzen wird die CO₂-Konzentration durch diese nächtliche Atmung kaum kritisch. Zum Vergleich: Ein schlafender Mensch produziert pro Stunde etwa 12–20 Liter CO₂ – das ist mehrere hundert Mal mehr als eine mittelgroße Pflanze.


Beispiele aus der Natur

Nehmen wir mal einen Baum als Beispiel.

  • Eine Buche kann in der Vegetationsperiode pro Jahr zwischen 9.000 und 15.000 Kilogramm CO₂ binden.

  • Gleichzeitig setzt sie durch Atmung und Abbauprozesse wieder einen Teil frei, aber netto bleibt immer eine deutliche Senke: Mehr CO₂ wird gebunden, als zurückgegeben.

Oder ein Vergleich im Kleinen:

  • Ein Ficus benjamini im Wohnzimmer setzt nachts ungefähr 5–10 Milligramm CO₂ pro Stunde frei.

  • Ein Mensch im gleichen Raum: 200 Milligramm CO₂ – pro Minute.

Die Angst, Pflanzen könnten nachts „die Luft wegatmen“, ist also biologisch nicht haltbar.


Einflussfaktoren: Licht, Temperatur, Art der Pflanze

Natürlich gibt es Unterschiede. Nicht jede Pflanze verhält sich gleich.

  1. Lichtintensität

    • Je heller, desto stärker die Photosynthese.

    • In schattigen Wohnungen oder an dunklen Wintertagen ist die Sauerstoffproduktion geringer.

  2. Temperatur

    • Zellatmung steigt mit Temperatur.

    • Bei 25 °C läuft die Atmung deutlich schneller als bei 15 °C.

    • Deshalb produzieren Pflanzen in warmen Nächten etwas mehr CO₂ als in kühlen.

  3. Art der Pflanze

    • Manche Pflanzen – z. B. Kakteen oder Orchideen – nutzen den sogenannten CAM-Stoffwechsel.

    • Sie öffnen ihre Spaltöffnungen nachts, um CO₂ aufzunehmen, und schließen sie tagsüber, um Wasser zu sparen.

    • Sie produzieren nachts trotzdem keinen Sauerstoff, aber das CO₂ wird zwischengespeichert.

  4. Wachstumsphase

    • Junge, schnell wachsende Pflanzen binden relativ mehr CO₂, weil sie mehr Photosynthese betreiben.

    • Alte Blätter oder Pflanzen in Ruhephasen haben geringere Netto-Bilanzen.


Was bedeutet das für Innenräume?

Viele fragen sich: Kann man mit Pflanzen die Luftqualität verbessern?

  • Ja, aber mit Einschränkungen. Pflanzen können CO₂ reduzieren – allerdings nur tagsüber bei genügend Licht.

  • In Innenräumen mit schwachem Licht ist der Effekt begrenzt. Die NASA-Studien zur Luftreinigung durch Pflanzen wurden oft zitiert, aber in realen Wohnräumen ist der Einfluss kleiner, weil einfach zu wenig Blattfläche da ist.

Interessant ist, dass Pflanzen aber zusätzlich Luftfeuchtigkeit regulieren und bestimmte Schadstoffe (z. B. Formaldehyd) binden können.
Das macht sie wertvoll – nicht nur wegen des Sauerstoffs.


Mythos: Pflanzen im Schlafzimmer sind gefährlich

Das hält sich hartnäckig: Pflanzen im Schlafzimmer sollen nachts Sauerstoff „wegatmen“ und den Schlaf stören.

  • Fakt ist: Der Sauerstoffverbrauch einer Pflanze ist minimal.

  • Selbst wenn man das Zimmer mit zehn großen Pflanzen vollstellt, wird die CO₂-Konzentration kaum merklich steigen.

  • Viel gefährlicher für die Luftqualität sind geschlossene Fenster oder eine schlecht belüftete Wohnung.

Also: Pflanzen im Schlafzimmer sind völlig unbedenklich – im Gegenteil, sie können sogar beruhigend wirken.


Kurzer Exkurs: Die globale Perspektive

Auf globaler Ebene sind Pflanzen ein entscheidender CO₂-Speicher.

  • Weltweit binden Landpflanzen jedes Jahr etwa 120 Gigatonnen CO₂ durch Photosynthese.

  • Durch Atmung und Abbau (inklusive Zersetzung von Pflanzenresten) werden ca. 119 Gigatonnen wieder freigesetzt.

  • Netto bleibt also ein kleiner, aber entscheidender Überschuss: etwa 1 Gigatonne CO₂ weniger in der Atmosphäre.

Das klingt wenig, macht aber den Unterschied – ohne diesen „Puffer“ wäre die Klimakrise noch gravierender.


Persönliche Beobachtung

Wenn man länger mit Pflanzen lebt – ob im Garten oder im Wohnzimmer –, fällt einem dieser Rhythmus tatsächlich auf. Tagsüber wirken sie „aktiv“, die Blätter sind prall, manchmal richten sie sich sogar nach der Sonne aus. Abends passiert weniger sichtbar, aber unsichtbar läuft die Atmung weiter.

So gesehen: Pflanzen schlafen nie ganz. Sie haben ihren eigenen 24-Stunden-Takt, genau wie wir.


FAQ

Produzieren Pflanzen tagsüber mehr Sauerstoff, als sie nachts CO₂ freisetzen?
Ja, deutlich mehr. Das Verhältnis liegt oft bei 5:1 bis 10:1 oder sogar höher.

Sind Pflanzen im Schlafzimmer schädlich?
Nein. Die Menge an CO₂, die Pflanzen nachts abgeben, ist verschwindend gering im Vergleich zu einem Menschen.

Welche Pflanzen produzieren nachts Sauerstoff?
Keine. Manche CAM-Pflanzen (z. B. Aloe Vera, Orchideen) nehmen nachts CO₂ auf, aber Sauerstoff wird nur bei Licht freigesetzt.

Wie viel CO₂ bindet ein Baum?
Eine ausgewachsene Buche kann pro Jahr mehrere Tonnen CO₂ binden – je nach Größe und Standort.

Kann man mit Zimmerpflanzen die Luftqualität verbessern?
Ja, aber nur in begrenztem Maß. Sie tragen zur Luftfeuchtigkeit und Schadstoffreduktion bei, aber CO₂ wird in Innenräumen nur minimal reduziert.


Meta-Beschreibung

Pflanzen produzieren tagsüber durch Photosynthese Sauerstoff und geben nachts etwas CO₂ ab. Doch das Verhältnis ist eindeutig: Am Tag wird deutlich mehr CO₂ gebunden, als nachts zurückkommt. Fakten, Beispiele und Mythen im Überblick.


Labels

Pflanzen, CO2, Photosynthese, Zellatmung, Sauerstoffproduktion, Schlafzimmer, Luftqualität, Mythos Pflanzen nachts, CAM-Stoffwechsel, Klimawandel, Bäume und CO2

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